Im September 2011, also vor ziemlich genau zwei Jahren habe ich unter dem Titel ‘Lost in Translation’ eine kleine Abhandlung über BH-Größensysteme verfaßt und die Problematik einer ‘Übersetzung’ wie sie natürlich von allen die sich mit Bra Fitting befassen immer wieder versucht wird.
Ich arbeite ja nun schon eine Weile als Brafitterin und sehe seither was Frauen so tragen. In den meisten Fällen kaufen sie ihre gefühlte BH-Größe, d.h. bei großen Brüsten entsprechend große Unterbrustbänder, also etwa von 80 bis 95 und dann in den erhältlichen Cups. Oftmals D oder E, schon seltener F oder G und ganz ganz selten kommt mal jemand mit einem H oder J-Cup. Getragen werden “mitteleuropäische'” Marken versteht sich, also was man so im Handel üblicherweise im ‘Big Cup Bereich’ bekommt: Günstige Versandhaus-Eigenmarken, BHs von Hunkemöller, die gut aufgestellten deutschen Traditionsmarken (z.B. Anita, Triumph) aber auch die eher hochpreisigen BHs von Prima Donna, Chantelle oder Empreinte…
Die Passform und die Qualität der Stücke variiert sehr stark – und das gilt auch für das Volumen der Körbchen, soweit man das bei den meistens (nicht immer!) falsch gewählten Größen sagen kann. Mein vor zwei Jahren eher an Aussagen bei den Busenfreundinnen gewonnener Eindruck, daß die meisten Marken ihr doch sehr kleines Größenspektrum damit aufbessern, daß sie die Cups umso größer machen, hat sich auf jeden Fall erhärtet.
Besonders Prima Donna oder auch Empreinte fallen vergleichsweise riesig aus. Das heißt auf der einen Seite natürlich erst mal, daß eine Kreuzgrößentheorie der Art wie 80A = 75B = 70C = 65D (körbchenvolumen-mäßig) nicht mehr hinhaut.
Auf der anderen bedeutet es aber auch, daß man tatsächlich eher andersherum denken muß, als das bisher bei den BF der Fall war: eine britische Größe fällt in vielen Fällen kleiner aus als die einer kontinentaleuropäischen Big-Cup-Marke. D.h. wenn ein getragenes D-Cup zwar zu klein aber nicht völlig katastrophal zu klein ist, kann man davon ausgehen, daß die gleiche Größe bei einer UK-Marke den Effekt einer Großbäckerei erzielen würde: Brötchen (rausquellendes Brustgewebe) überall.
Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, das auch so zu erklären: daß das britische, feiner unterteilte Größensystem unter anderem dazu führt, daß man meist einen größeren Buchstaben benötigt. Das ist, wie gesagt, häufig noch nicht mal gelogen. Und auch wenn erzeugt es eine Art von Entspannungsmoment, denn Buchstabenphobie ist doch bei vielen Frauen ein großes Problem. (Ich weiß nicht, wie oft “Doppel D” verstanden wird, wenn ich “Doppel G” gesagt habe… man verzeihe mir also eine solche psychologische Rumtrickserei.)
Selbstverständlich hat das mit dem größeren Buchstaben auch viel mit einem ursprünglich schon zu kleinen Körbchen und einem zu großen Unterbrustband zu tun. So gibt es die klare Tendenz, daß jemand der seine BH-Größe als 85D einschätzt eigentlich eine 34FF/G benötigt. Das sind zwei Bandgrößen weniger, aber auch (zumindest theoretisch) zwei, drei Cups mehr.
Wie auch schon vor zwei Jahren festgestellt, hebt sich das Verhältnis bei größeren Cups dann meist wieder auf. Ein Empreinte-H-Cup entspricht ca. einem UK-GG-Cup und bei BHs der Marke Change, kann man von einem J-Cup getrost wieder auf ein UK-G-Cup heruntergehen.
Bekräftigen möchte ich mit dem heutigen Beitrag auf jeden Fall meine alte Position: die totale Unsinnigkeit des Versuchs anhand einer Tabelle die Größen ineinander zu übersetzen.
So pi mal Daumen kann man sagen, daß die meisten herkömmlichen Marken im Bereich um D und E-Cups herum deutlich größere Körbchen produzieren als die einschlägigen UK-Marken (Bravissimo, Curvy Kate, Eveden, Panache) und die Differenz darüber unterschiedlich je nach Marke und Konstruktionsqualität ausfällt.
Marken die eigentlich nur ihre auf E-Cups ausgerichteten Minimiser-Schnitte hochziehen bis zum G-Cup, kann man entsprechend für größere Brüste, die sich nicht mehr einfach platt drücken lassen, vergessen weil das Volumen ziemlich deutlich nicht ausreicht. Dagegen gibt es auch spezialisiertere Marken, die auch ab F-Cup noch ordentliche, gut passende BHs konstruieren, beispielsweise Empreinte, Prima Donna und Ulla.
Meine Erfahrungen mit europäischen Marken sind immer noch sehr begrenzt – mehr als einen Eindruck kann ich also nicht liefern. Wenn man richtig damit arbeitet und auch noch britische Marken zum Vergleich hat, kann man vielleicht doch ein genaueres Übersetzungsschema erstellen. Derzeit wirkt es aber auf mich immer noch so, als würde jeder Hersteller ein Potpourri von willkürlichen Größen produzieren, was nicht nur Kundinnen sondern auch Verkäuferinnen heillos durcheinander bringt. Insofern ist es wohl nicht nur sachlicher Unkenntnis zuzuschreiben, warum so viele Frauen sagen, sie probieren jedes Mal gefühlte hundert Modelle an, bevor ihnen eins paßt und wenn sie ein gutes Exemplar gefunden haben, dann kaufen sie das auch immer und immer wieder…
In Zeiten von Selbstbedienung (kaum ein Geschäft bietet eine individuelle Größenberatung an) und Online-Shopping sind solche Abweichungen eigentlich nicht so besonders smart respektive geschäftsfördernd. Denn wenn man nicht an einem spezifischen Modell hängt (weil man es im Fachgeschäft mal angepaßt bekommen hat) bzw. dieses nicht mehr produziert wird (passiert ja selbst bei den traditionellsten aller Hersteller) oder man einfach rausgewachsen ist, dann kann man die Markenbindung eigentlich auch vergessen, oder?
Schon mich als quasi-Profi und ex-Bra-Nerd mit meinen über vier Jahren Bra Fitting-Meditationen nervt die Tatsache, daß ich nicht nur auf Schnittkompatibilität sondern auch noch ganz banal auf “Größeninterpretation” achten muß, wenn ich einen BH anpassen will. Für jemanden, der eigentlich gar keine Lust hat, auf mehr zu achten als auf Farbe oder Schnittführung (also auszusuchen ob man einen T-Shirt-BH oder sexy Lingerie haben möchte), stellt die Problematik eine beinahe unüberwindbare Hürde zum “BH-Glück” dar.
Letzten Endes wirkt die Größenverwirrung beinahe wie eine absichtliche Strategie, Frauen in einem Zustand von Unmündigkeit zu halten, in dem sie völlig von der Kompetenz einer Fachverkäuferin abhängig sind. (Ähm ja, Verschwörungstheorie…)
Für mich ist jedenfalls die logische Konsequenz, mich mit EU-Marken gar nicht weiter zu befassen, sondern mich einfach an die (deswegen auch in der Online-Bra Fitting Szene so beliebten) UK-Marken zu halten…
Wie haltet ihr's so mit den Größen? Seid ihr marken-treu? Kauft ihr immer das Modell, von dem ihr wißt, daß es paßt? Oder seid ihr experimenteller?