In den letzten Wochen machte ein neuer Werbespot im Internet die Runde und in meinem Facebookstream fanden sich mehrere lobende Worte für diese neue Kampagne:
Wer den Spot nicht sehen kann oder will, es geht im Prinzip darum, dass Frauen ihr Gesicht einem forensischen Zeichner beschreiben. Danach beschreiben Fremde, mit denen sie sich kurz vorher unterhalten habe, diese Person. Das Ergebnis ist, dass die Fremden, die Frauen mit weitaus positiveren Attributen und Worten beschreiben als die Frauen sich selbst. Daher kommt Dove zu dem Schluss, dass Frauen oft selbst ihre eigenen schlimmsten Kritiker sind. Die Tagline ist dann auch "Du bist schöner, als du denkst" ("You are more beautiful than you think").
Dieser Spot ist Teil von Doves Rebranding und PR-Strategie seit 2004 in der wahre oder realistische Schönheit fernab von Photshop und dem professionellen Modelbusiness zelebriert wird um Frauen auf ihren Weg zur Selbstakzeptanz und mehr Selbstbewusstsein zu helfen. Hier kann mensch, leider nur auf Englisch, mehr über die Geschichte der Kampagn lesen.
Ich mag diese Kampagnen dafür, dass sie tatsächlich manchen Frauen ein gutes Gefühl über sich selber geben und bin dankbar dafür, dass Dove eine Diskussion zu dem Thema Schönheit, (Selbst)Wahrnehmung und Selbstbewusstsein angestoßen hat. Damit stehen sie noch immer allein auf weiter Flur da und zu oft werden Frauen in den Mainstreammedien und der Werbung sehr formalistisch und idealisiert dargestellt.
Das Problem was ich, und andere, mit dem Thema haben ist allerdings haben hat eher damit zu tun, dass Dove ein nicht völlig inklusives Schönheitsbild propagiert, zu Unilever gehört, und eben Pflegeprodukte vertreiben möchte.
In dem Spot sind dünne Frauen zu sehen, alle vier Hauptprotagonisten sind keine People of Color, keine ist älter als 40, keine ist behindert, keine ist dick. Diese Frauen sind konventionell schön. Nur erkennen sie das nicht selbst. Was mich aber wirklich geschockt hat war der letzte Satz einer der Teilnehmerinnen: "Ich sollte mir meiner natürliche Schönheit stärker bewusst sein. Denn das hat schließlich auch Auswirkungen darauf mit wem wir befreundet sind, für welchen Job wir uns bewerben oder wie wir unsere Kinder behandeln. Es hat einfach Auswirkungen auf Alles! Unser ganzes Glück kann davon abhängen." ("I should be more grateful of my natural beauty. It impacts the choices and the friends we make, the jobs we go out for, they way we treat our children, it impacts everything. It couldn’t be more critical to your happiness."). Das heißt es ist unser Aussehen was unser Leben und unser Glück bestimmt? Das ist sicherlich keine besonders aufbauende oder positive Botschaft. Oder meint das "it" im Original das Selbstbewusstsein, dass aus dem Wissen um die eigene Schönheit erwächst? Das wäre weit weniger problematisch, würde aber immer noch implizieren, dass man eben dünn, jung, gesund und weiß sein muss um schön zu sein. Interessant ist auch, dass in den meisten Werbespots der Kampagne Frauen gezeigt werden die unzufrieden mit ihrem Körper sind und es kommen keine Frauen zu Wort, die sich bereits als schön empfinden und somit als Vorbild dienen könnten. Stattdessen wird Aussehen als deterministischer Faktor des Schicksals gehypt, das mensch, so die unterschwellige Nachricht, mit Schönheitsprodukten noch verbessern kann.
Natürlich ist es im Interesse eines Unternehmens, dass Pflege- und Schönheitsprodukte herstellt, diese möglichst viel unters Volk zu bringen. Daher sollte man sich bewusst sein, dass wenn mensch Doveprodukte kauft, man nicht das Projekt unterstützt alle Frauen selbstbewusster zu machen und ein inklusiveres Bild von Schönheit zu verbreiten, sondern ein gewinnorientiertes, multinationales Unternehmen unterstützt. Dove gehört zum Unilever Konzern, der unter anderem auch relativ aggressives Marketing für seine Cremen zur Hautaufhellung betreibt oder betrieb und zu dem auch Axe gehört, ein Produkt dessen sexistisches Marketing fast schon legendär ist.
Links zum Thema (leider nur auf Englisch):
http://www.fatinthecity.com/2013/04/doves-real-beauty-sketch-campaign-an-open-letter-by-jill-andrew/
Was haltet ihr von dem Werbespot und der Kampagne an sich?
Ich habe mir das Video angesehen und habe den Satz anders aufgefasst als du.
AntwortenLöschenWir sollten uns unserer Schönheit selber bewusst sein, uns selbst lieben, fröhlich und offen durch's Leben gehen - was man nun mal nicht kann, wenn man sich selber hässlich und abstoßend findet.
Und das hat eben schon Auswirkungen auf alles.
Es ist dabei egal, ob wir klein, groß, dick oder dünn sind, eine kleine Stupsnase oder eine dicke Knollennase haben - wenn wir selber wissen, dass wir schön sind, wirkt sich das auf alle Bereiche unseres Lebens aus.
Ich habe gerade nicht die Zeit mir diesen Spot anzusehen, aber ich kenne einige der älteren Spots, die zur Kampagne gehören. Und da gibt es sehr wohl Frauen verschiedener Ethnien und Altersgruppen zu sehen. z.B. bei Pro Age:
AntwortenLöschenhttp://www.youtube.com/watch?v=vilUhBhNnQc
Das ist ein wirklich schöner Werbespot. Der hat mir super gefallen als er ausgestrahlt wurde.
Man darf ja auch nicht vergessen, dass trotz allem Zielgruppen angesprochen werden wollen. Und Personen die Anti-Aging Produkte, oder welche für junge Haut kaufen, sind nunmal jünger oder wollen jung bleiben und dann auch entsprechendes sehen.
Hey, sorry daß ich erst so spät zum Kommentieren komme. (Me and the time lag...)
AntwortenLöschenDanke fürs Schreiben des Beitrags, ich finde das echt ein wichtiges Thema.
Der große Verdienst ist natürlich erst mal rauszustellen, daß viele Frauen ein viel schlechteres Selbstbild haben als realistisch wäre. Das ist an sich schon ein Skandal. Ich meine, wie kann das sein, daß sich Frauen so sehen; es wäre doch viel angebrachter, sich selber durch eine rosa gefärbte Brille zu sehen als durch diese Perspektive of Doom and Gloom!
Das zu problematisieren ist schon mal echt gut.
Aber andererseits verstärkt die Message der 'subjektiven Bewältigung eines objektiv-gesellschaftliche Problems' auch die Marginalisierung von Personen, die nicht nur durch Selbstdefinition von der Gruppe der 'Schönen & Attraktiven' ausgeschlossen sind.
Es kommt mir so vor, als ob es in letzter Zeit verstärkt Kritik an der Forderung 'Entdecke deine Schönheit' gibt, die genau in diese Richtung zielt. Denn letztendlich ändert das wenig an der Message, daß es für allem für Frauen wichtig ist schön zu sein, während andere Eigenschaften/Charakteristika gar nicht erst genannt werden.
Klar, letzten Endes ist das nur eine Marketing-Kampagne, aber gerade darüber, daß sie sich kritisch gibt, wird sie als solche eben auch nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt wahrgenommen.
Was die Idee von Diversity angeht, dann ist das eben etwas, was man durchziehen muß wenn es glaubhaft sein soll und nicht dann reinbringen, wenn es gerade paßt, so als Goodie. Wikipedia sagt, 72% der US-Bevölkerung sind weiß, d.h. rein rechnerisch wäre es angebracht, von 4 Frauen wenigstens eine Woman of Colour zu zeigen. Zwei Drittel der erwachsenen US-Amerikaner sind als übergewichtig definiert. Entsprechend wäre auch hier eine Repräsentation angebracht.
Ich glaube wir haben uns schon so an eine gewisse mediale Darstellung gewöhnt, daß es uns gar nicht mehr auffällt, wie da was dargestellt wird, weil wir es eben als 'normal' sehen. Daß da jetzt für den Clip keine weißen, zwanzigjährigen Supermodels aufgefahren werden, werten wir schon als Fortschritt.
Und leider ist es das ja auch...
@george nachtrag: vgl. z.B. dieser Text - http://thebodyisnotanapology.tumblr.com/post/51076545078/the-curiously-oppressive-power-of-positive-thinking
AntwortenLöschen@Cate
AntwortenLöschenWas an sich keine schlechte Botschaft ist. Aber es impliziert immer noch, dass das 'Schönsein' oder sich selbst schön zu finden extrem wichtig ist um Erfolg zu haben und glücklich zu sein. Selbstbewusstsein kann und sollte, meiner Meinung nach, aus Taten erwachsen, nicht aus dem Aussehen.
Und der andere Punkt ist ja, dass der Werbespot Frauen zeigt, die eben nicht alt oder dick sind oder eine große Knollennase haben. Ich glaube eben, dass es manchen Frauen, die in der medialen Wirklichkeit nicht repräsentiert werden, schwerer gemacht wird, sich überhaupt als schön zu empfinden.
@Jacqueline Bier
AntwortenLöschenNur weil mache Menschen mit 30 anfangen Anti-Ageing Kram zu benutzen, tut das meine Oma mit 84 doch auch immer noch? Wenn man sich demographische Merkmale und Kaufkraftentwicklungen anschaut macht es sehr viel Sinn, die 50+ Generation anzusprechen. Allerdings ist in der Forschung ja nicht unumstritten, welche Probanden wirklich zum Kauf anregen. Und warum die Damen sich erst einmal entkleiden müssen verstehe ich auch nicht so ganz.
In diesem Spot sind POC zum Beispiel für insgesamt gut 10 Sekunden zu sehen.
@george
AntwortenLöschen♥
Hi George,
AntwortenLöschendanke für den interessanten Beitrag. Die überkritische Selbstsicht ist mittlerweile beiweitem kein "Frauenproblem" mehr. Die Zunahme an Schönheits-OPs bei Männern ist ein sicheres Zeichen, dass die oberflächliche Selbstsicht auf das eigene Spiegelbild und der Vergleich mit Photoshop-Idolen ein Massenphänomen geworden ist. Insofern finde ich die Idee, mit normalen Menschen zu werben, schon in Ordnung. Leider hat unilever ja die eine oder andere Kampagne in diese Richtung immer relativ schnell abgebrochen. Die wollen halt auch nur verkaufen. Generell halte ich die Jagd nach Anti-aging-Produkten insgesamt für abartig, weil vermittelt wird alt = hässlich. Das ist natürlich Unsinn, weil jedes Alter, jede Form und jedes Aussehen seinen Reiz hat. Aber man muss schon sehr mit sich im Reinen sein, um sich vom allgemeinen Trend abkoppeln zu können.
Die generelle Botschaft aber, wir sind alle für uns auf unsere eigene Weise schön, finde ich, wenn sie denn beabsichtigt ist, ermutigend.
Ich finde die Werbung gut.
AntwortenLöschenKlar sind die Kritikpunkte berechtigt und natürlich ist Aussehen nicht ALLES.
Aber mir gefällt diese Art der Werbung, denn sie soll nur ein Gefühl von "Du bist ok so" und damit Vertrauen wecken. Dieser Werbespot soll doch kein Aufklärungsfilm sein... Es ist immernoch Werbung. Gut gemachte Werbung. Sicher mit marktwirtschaftlichem Zweck, aber schön und auf einer Ebene die den Konsumenten näher ist als die hochglanzpolierten Supermodels.
Wie gesagt es ist Werbung und erhebt nicht den Anspruch aufklären oder absolut selbstlos zu sein.
LG Gast