Sonntag, 26. Mai 2013

Kleiner Leitfaden für den Besuch im BH-Fachgeschäft

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin so eine typische Online-Käuferin: mich durch das reale Angebot eines Ladens zu wühlen bis ich etwas gefunden habe, das mir zusagt, macht mir keinen Spaß. Klar, gehe ich alle paar Monate mal zu den üblichen Verdächtigen um mir ein paar neue Tops, Shorts, Leggings, Röcke und Accessoires zu kaufen, aber am liebsten würde ich vorher schon mal von Zuhause aus das Angebot auschecken und dann die Sachen per GPS-Anweisungs-App nur noch von den Ständern sammeln, eine Runde in die Umkleide und *uff* überstanden.

Die MinimalistInnen unter den EinkäuferInnen, also Quickie-ShopperInnen wie ich habe eine Liste von Produkten, deren Kauf immer wieder der Horror ist – weil es so furchtbar lange dauert bis man etwas gefunden hat, das paßt und gefällt. Neben Winterjacken/-mänteln und Schuhen gehören dazu für mich wie für viele andere Frauen auch BHs.
Der Kauf eines BHs, das ist etwas was man am liebsten aufschiebt bis es wirklich nicht mehr anders geht. Dann erst begibt man sich auf die – oft wenig aussichtsreiche - Suche nach einem neuen Begleiter für untendrunter. Und weil man BHs ja nun mal auch anprobieren muß, geht man zähneknirschend in einen Laden.

Die meisten, die nicht das Glück haben mehr oder weniger in den Bereich der Wilden 13 zu fallen, also Unterbrustband 75-85 plus Körbchen A-D, führt die Kaufabsicht dann irgendwann auch mal in ein sog. Spezialgeschäft. Aber aufgepaßt, unter Umständen kann ein solcher Besuch bei der EinzelhändlerIn ganz schön unangenehm werden: nicht selten erwartet die ahnungslose Kundin in spe nicht nur eine schlechte Beratung und teure Ware, sondern auch noch eine respektlose und/oder unfreundliche Verkäuferin.

Die Liste der Horror-Stories ist lang und wer sich dafür weiter interessiert, dem empfehle ich MiaRoses Beitrag Also, Sie sind doch eine 75C... oder den Thread “Was sagen die BH-Verkäuferinnen” bei den Busenfreundinnen. Doch allem wohligen Gruseln zum Trotz, allen Widerständen gegen die Unkontrollierbarkeit der Einkaufssituation und eventuell unangenehmen Erfahrungen rate ich dazu, sich dem Abenteuer zu stellen. Der Grund dafür ist ganz einfach der, daß ich es für wichtig halte, die eigenen Bedürfnisse mitzuteilen und dadurch ein stärkeres Bewußtsein für die Nachfrage und den Bedarf an ‘exotischen Größen’ zu schaffen. Gleichzeitig kann man tatsächlich auch Glück haben und eine ganz tolle Beratung bekommen. Also, no risk – no fun!


Im Folgenden habe ich ein paar Tips gesammelt, wie man das Unterfangen BH-Laden-Besuch erfolgreich oder wenigstens unbeschadet übersteht.

- Vorher anrufen
 Oft sind Webseiten von Dessousgeschäften (falls überhaupt vorhanden) wenig aussagekräftig. Es ist daher eine gute Idee, im Vorfeld einfach mal anzurufen, um herauszufinden, ob man bspw. einen Termin für die Beratung braucht, welche Marken und welches Größenspektrum angeboten wird – und, besonders wichtig, ob man es am anderen Ende der Leitung mit einer freundlichen, auskunftswilligen und kompetenten Person zu tun hat. Am besten macht  man sich eine Check-Liste von Fragen, die einen interessieren. 

- Realistische Erwartungen bzgl. des Angebots
Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß ein Laden einem alle Wünsche erfüllen kann. Das Angebot im Fachgeschäft ist mit dem großer Onlineshops oder auch der Modellvielfalt, die man von der Wilden 13 kennt, in der Regel nicht vergleichbar. Gegenüber dem guten Dutzend einer herkömmlichen Wäscheserie umfaßt eine britische Serie von 65D-85H bereits ganze 40 Oberteile, Unterteile nicht eingerechnet. Man kann sich vorstellen wie schnell man bei unglaublichen Warenmengen ankommt, wenn man für ein ordentliches Brafitting (also viele Größen) einkauft. Die Auswahl wird also entsprechend eher ‘pragmatisch’ sein: weiß, schwarz, beige wird am meisten nachgefragt, also auch am meisten ge- und verkauft. Ich weiß, daß das manchmal frustrierend sein kann, aber was hilft einem der schönste, bunteste BH wenn er nicht richtig paßt? 

- Realistische Erwartungen bzgl. der Preise
 Kleine Läden/Marken machen nicht so viel Umsatz, ein gutes Sortiment ist groß und damit kostenintensiv und Beratung ist aufwendig. Das alles schlägt sich bisweilen recht deutlich im Preis eines BHs nieder. Wer ein Fachgeschäft besucht, sollte sich daher darauf einstellen, zwischen 50 und 80€ für einen BH zahlen zu müssen.

- Eigene Vorstellungen und Kompromissbereitschaft reflektieren
Je nachdem wie viele passende BHs man schon hat, sollte man seine eigene Vorstellungen und Kompromissbereitschaft überdenken – wo liegt der Fokus, was braucht man wirklich, braucht man überhaupt einen neuen BH oder hätte man gerne einfach einen, ist man offen für Änderungen am BH (z.B. Unterbrustbandkürzung), kann man sich ggf. auch mit anderer Farbe anfreunden (beige statt weiß oder schwarz statt dunkelblau?) usw.
So kann man a) verhindern, daß man mit etwas den Laden verläßt, das man eigentlich gar nicht haben wollte und b) auch, daß man sich selbst zu sehr an Wünsche hängt, die evtl. nicht erfüllbar sind. Manchmal merkt man beispielsweise beim Anprobieren, daß auch in der richtigen Größe die Schnittform des Traum-BHs nicht funktioniert… Gleichzeitig bringt es ja auch nichts, einen perfekt sitzenden BH zu erwerben, den man so häßlich findet, daß man ihn nicht angucken kann. Andererseits ist auch immer zu bedenken: man trägt einen BH ja nur drunter und wenn er unterm Shirt toll aussieht, dann ist das ja auch was.

- Sich darauf gefaßt machen daß man evtl. die falsche Größe trägt
Die meisten Frauen tragen zu große Unterbrustbänder und zu kleine Cups. Die umgekehrte Variante ist sehr selten, kommt aber manchmal im Zuge einer Fitting-Euphorie auch vor. (Umgekehrte Buchstabenphobie) Ist aber IMO zu vernachlässigen. Also: keine Angst vor neuen Größen und exotischen Buchstaben! 

- Sich informieren wie ein BH sitzen soll
z.B. anhand des drüber & drunter Passform-Checks

- Kleidung mitbringen unter der man den BH tragen möchte
Immer gut für einen Test ist ein dünnes T-Shirt oder Top, evtl. mit Elasthananteil, mit dem man testen kann, ob der Übergang zwischen BH und Brust glatt ist oder ob man Brötchen (eine Doppelbrust) hat.
Wenn man vor allem helle Blusen oder weit ausgeschnittene Tops trägt oder einen BH für ein spezifisches Kleid sucht, wäre es ratsam die entspr. Kleidungsstücke mitzubringen.

- Verstärkung organisieren
Oft ist es schöner, wenn man jemanden mit dabei hat, der einem den Rücken stärkt, eine zweite Meinung einbringt und einem gegen aufdringliche, respektlose oder unfreundliche Verkäuferinnen den Rücken stärkt. Es sollte jemand sein, der geduldig ist, Verständnis für deine eventuell vorhandenen Probleme mit deinem Körper hat, dem du im Urteil vertraust und der dir ein gutes Gefühl geben kann. Also – entgegen der Verwendung des männlichen Pronomens – beispielsweise deine beste Freundin. Nicht so eine gute Wahl sind zickige Mütter/Töchter, überkritische Freundinnen mit Körper-Issues oder ungeduldige Partner. So eine BH-Beratung kann manchmal ne ganze Weile dauern.

- Bewertung der Beratung/Entscheidung für einen BH
MiaRose hat einen Beitrag dazu geschrieben wie sie sich ein perfektes Bra Fitting vorstellt. Hilfreich könnten vielleicht auch die Entscheidungshilfen für den Online-Kauf sein: BH-Suche 101, zweiter Teil: Richtig anprobieren... und dritter Teil: Behalten oder nicht behalten?
Wichtig ist auf jeden Fall, daß man sich nicht gegen sein Bauchgefühl entscheidet. Wenn man sich nicht sicher ist, lieber noch mal wiederkommen, als was kaufen mit dem man hinterher totunglücklich ist…

- Bestellungen – ja oder nein?
 Oft wird angeboten nicht vorhandene Ware zu bestellen. Zu bedenken ist dabei, daß Ware in der Regel nicht auf Kommision gekauft werden kann, d.h. wenn man die Sachen dann nicht haben will, bleibt der Laden darauf sitzen. Daher ist häufig eine Bedingung für die Bestellung, daß man die Sachen dann auch nehmen muß >> von Bestellungen unter dieser Prämisse würde ich dringend abraten; genauso wie von ‘unverbindlichen’ Bestellungen die man ohne ernsthaftes Kaufinteresse tätigt, z.B. als eine Art Kompromiss statt eines Kaufs. Es ist zwar vielleicht unangenehm, aber in solchen Fällen ist es fairer gleich zu sagen, daß man den BH nicht haben will oder man es sich lieber noch einmal überlegt. 

- Gegenseitiger Respekt
 Eigentlich selbstverständlich möchte man meinen, aber das Thema Respekt ist mitunter tatsächlich das größte Problem… und deswegen schreib ich dazu demnächst einfach noch mal einen Blog-Post, denn: ich hab jetzt einfach keine Lust mehr und ihr wahrscheinlich auch nicht, nach meinem Beitrag in Romanlänge. (Ich kann mich einfach nicht kurz fassen, ich weiß… wer den Beitrag hierhin gelesen hat bekommt ein Fleißbienchen fürs Muttiheft!)

Wie dem auch sei, ich freu mich wie immer über Ergänzungen und Kommentare. Noch einen schönen Sonntagabend bzw. guten Start in die Woche.
Cheers,
eure george

3 Kommentare:

  1. Ich war vor Kurzem das erste Mal in einem Fachgeschäft.
    Dachte immer, ich hätte Cup D - dabei ist es Cup F. Und ich habe eben mal 110 € für einen perfekt sitzenden BH gezahlt.
    Da musste ich schon ganz schön schlucken, aber wenigstens besitze ich nun das erste Mal in meinem Leben einen anständigen BH, der wirklich passt.

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  2. @Cate
    Liebe Cate,
    sorry, daß es mit meiner Antwort so lange gedauert hat.

    Erst mal hurra, passender BH! Vorher D hinterher F-Cup ist übrigens ein recht häufiges Fittingergebnis. :-)

    Aber: Puh, 110€! Das ist ganz schön happig. Ich glaube, die einzigen, denen ich solche Preise verzeihen kann, ist ULLA Dessous, die immerhin auch in Deutschland produzieren und nur ein kleiner Betrieb sind.

    Klar kostet neben dem nicht günstigen BH in einem Laden auch die Beratung und die Vorratshaltung etc. pp. Aber ich finde auch schon 60, 70€ für einen passenden BH nicht günstig.

    Womöglich sollte ich oben noch als Punkt einfügen: Sparschwein schlachten. (seufz)

    Liebe Grüße und danke für deinen Kommentar. :)



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  3. Hallo George!

    Ich bin eben auf deinen Blog gestoßen und da ich selbst seit knapp sieben Jahren Miederwarenverkäuferin bin, klingt dieser Beitrag wie Musik in meinen Ohren!
    Seit anderthalb Jahren führe ich ein Fachgeschäft, was natürlich -im Vergleich zum Warenhaus, wo ich "aufgewachsen" bin- sowohl vom Sortiment, als auch von der Einstellung der Kundschaft eine ganz andere Welt ist.

    Vielen Frauen merkt man an, dass sie sich regelrecht wie scheue Rehe durch das Geschäft bewegen, da sie nicht ganz sicher sind, was auf sie zukommt und im Fachgeschäft wissen, dass sie bemerkt werden.
    Umso schöner, wenn man durch eine kompetente Beratung und nette Athmosphäre eine ganz überraschte und glückliche Kundin verabschieden kann. Wir hören oft "Das muss ich erstmal meinen Freundinnen erzählen! So eine Beratung hatte ich noch nie!" Und dann weiß man, dass man seinen Job gut macht. :) Da wird einem ganz wohlig ums Herz.

    Ein riesen Knackpunkt ist sicherlich das Größenthema. Stichwort Buchstabenphobie. Aussagen wie.."F ziehe ich nicht an, das ist ja wie XXL!!!".. hab auch ich schon erlebt z.B. bei einer Kundin, die 85C statt 70F bräuchte. Manchmal ist es netter die Größe zunächst nicht zu benennen. ;) Hier braucht es das richtige Fingerspitzengefühl.

    "Kleidung mitbringen" finde ich auch einen super Tipp! Gerade für Kleider, die etwas kompliziertere Ausschnitte (egal ob vorn oder hinten) haben oder wenn man für ein gewisses Teil Shaping Wäsche benötigt.

    Es gibt übrigens beim Bedienen/Beraten nichts schöneres und entspannteres für mich, als wenn meine Kundin weiß, was sie möchte. Oder zumindest, was sie nicht möchte! Manchmal stellt sich das natürlich auch erst im Laufe des Probier-Marathons heraus..

    Auf jeden Fall ist dies hier eine super Übersicht und ich kann all deine Punkte nur so unterschreiben! Echt top!

    Da ich auch plane einen Blog über Wäsche zu starten, ist dies außerdem eine super Inspiration für mich. Dein Schreibstil ließt sich richtig locker-flockig..

    Ganz liebe Grüße von der anderen Seite der Wäschewelt!
    Emilie

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